Dienstag, 8. Mai 2012

Long Beach und eine Königin


Als Lieschens Grandpa meinte, er wolle mit uns nach Long Beach fahren, dachte ich erst, er spinnt. Long Beach, war das nicht Nachmittagstreff der ganz bösen Gangstarap-Jungs? Als auf dem Freeway die ersten Schilder, weiß auf grün, mit dem Namen der Stadt auftauchten, schaute ich argwöhnisch aus dem Fenster. Waren sie irgendwo da draußen, die Gangster? Grandpa hatte doch die Zentralverriegelung eingeschaltet, oder nicht?

Keine Gangster in Downtown Long Beach

Und dann war da plötzlich das Meer, ein nett angelegter kleiner Park mit Teich; Schilder, die den Weg zum Aquarium wiesen und Familien, die aus dem Convention Center strömten. Ein Stück weiter hatte schon der Aufbau für den Grandprix begonnen. Gangster? Von wegen. (Lieschens Grandpa erklärte mir später, dass es doch einen Teil von Long Beach gibt, der keinen besonderen Ruf gibt. Aber von Downtown Long Beach mit den mit Bars und Restaurants gesäumten Straßen war das weit entfernt.)

Passagierdampfer, Truppentransporter

Wären wir ein bisschen früher gekommen, hätten wir vielleicht ins Aquarium gehen können. Da das jedoch um sechs schließt, machten wir uns auf den Weg nach einer Alternative. Und standen schon bald vor der Queen Mary, einem riesigen, während der 1930er in Schottland gebauten Schiff, das erst als Passagierdampfer der Luxusklasse (17.000 Dollar wären für ein Ticket heute zu zahlen) zwischen der Alten und der Neuen Welt verkehrte und dann im Zweiten Weltkrieg zum Truppentransport eingesetzt wurde.

Wände aus Kastanienholz, Art Décor wie in den 30ern

In den 1960ern wurde das Schiff, das zeitweise das berühmte Blaue Band führte (keine vier Tage brauchte sie für die Überquerung des Atlantiks) stillgelegt. Die Stadt Long Beach kaufte das Schiff, baute es zum Hotel um und bietet nun Führungen und Events wie Konzerte ("Rock the Queen"), Hochzeiten und einen Sonntagsbrunch auf dem Schiff an. Da dümpelt es nun im Wasser vor Long Beach, doppelt so groß wie die Titanic, mit den mit Kastanienholz ausgelegten Wänden, einer noch weitgehend erhaltenen Art Décor-Einrichtung, der britisch-roten Telefonzelle und einem mit weißgelben Kacheln ausgelegten mehrstöckigen Schwimmbad tief im Bauch des Schiffes - und zeugt von einer Zeit, die nicht mehr ist.

Führung übers Schiff, Blick über Long Beach

Von den vielen zur Auswahl stehenden Führungen wählten Grandpa, Lieschen und ich die Twilight Historical Tour. Nein, nichts mit Vampiren, sondern eine Führung, die um viertel vor sieben, so ungefähr zum Untergang der Sonne beginnt. 12 Dollar waren es, glaube ich, per Person und eine Stunde lang wird man mit vielen Erklärungen durchs Schiff geführt. Ich war begeistert, das Lieschen trottete brav mit, aber Grandpa schaffte es irgendwie, sich nach der ersten halben Stunde abzuseilen; wir trafen ihn dann am Ausgang wieder: "Ich habe nur kurz die Toiletten gesucht, und auf einmal wart ihr weg...!" Den Blick von der hochhausgroßen Queen Mary auf das blaue Meer, die orange untergehende Sonne und die hell blitzenden Lichter von Long Beach fand er dann aber auch richtig gut.

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