Donnerstag, 24. Februar 2011

Die, die nicht aufgeben

Als ich in der Schule war, ging in eine der Nachbarklassen Grgur, der aus Serbien kam, aber schon so lange in Deutschland gelebt hatte, dass Deutschland seine Heimat, Deutsch seine Sprache geworden war. Er war einfach einer von uns, auch wenn manche ihn komisch fanden, weil er in der Schule so strebsam, fast schon ein bisschen zu ehrgeizig war.

Und ploetzlich war Grgur weg. Es brauchte eine Weile, bis wir herausgefunden hatten, dass Grgur das Land verlassen war und jetzt wieder in Serbien lebte. Er hatte, wie so viele, nur mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland gelebt - und das Jahre lang. Als ihm dann irgendwann die Abschiebung drohte, hat er sich entschlossen, "freiwillig" zu gehen, weil ihm so die Tuer nach Deutschland nicht endgueltig verschlossen bleiben wuerde.

Es war ein Jahr vor dem Abi. Zwei Jahre spaeter war Grgur wieder in Deutschland. Er hatte es irgendwie geschafft, in Serbien soweit Fuss zu fassen, dass er sich dort sofort wieder integrieren konnte, das dortige Abitur zu bestehen und sich dann fuer ein Studentenvisum in Deutschland zu bewerben. Er hat dann Mathe, Informatik oder irgend so was studiert, ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihm, aber irgendwie blieb das Gefuehl, dass diese "Abschiebung" sinnlos gewesen war und es den Falschen getroffen hatte.

Orhan Jasarovskis Geschichte, die die eines Roma-Jungens aus Mazedoniens ist, der aus Deutschland in sein ihm fremdes "Heimatland" abgeschoben wird, und zum Studium wieder zurueck kam, hat mich sofort an Grgur erinnert. Und ich frage mich, mal wieder: wer entscheidet eigentlich auf welcher Grundlage ueber solche Abschiebungen, und braeuchte es nicht mehr bei diesen Entscheidungen als nur das blosse Lesen eines Gesetzestextes?

9 Kommentare:

Annanymous hat gesagt…
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Anonym hat gesagt…

Solche Geschichten sorgen natürlich immer gerne für Emotionen.

Wahrscheinlich hatte Grgur aber auch Eltern und mehrere Geschwister, die allesamt über die Sozialhilfe alimentiert wurden.

Und gerade bei den Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien wurde doch von Anfang an klar kommuniziert: Deutschland ist ein sicherer Hafen, aber nur auf Zeit.

Dass es immer mal nen Fall gibt, der für Unverständnis sorgt: Geschenkt. Es muss aber halt gleiches Recht für alle gelten.

Wenn er wieder den Weg nach Deutschland gefunden hat, ist das doch ok.

Interessant wird das noch mit den Flüchtlingen aus dem Nahen Osten werden.

Lieselotte hat gesagt…

@ Anonym: Dass Grgur und seine Familie von Sozialhilfe lebten, ist eine Unterstellung; du kennst die Leute doch gar nicht.

Was ich mich frage, ist warum wir Leute, die offensichtlich gut integriert sind und das Land weiterbringen koennten, abschieben.

Und um "gleiches Recht fuer alle" geht es da gar nicht. Auch Recht ist interpretierbar.

Gruss
von der Lieselotte

Lieselotte hat gesagt…

@ Annanymous: Doch, du kennst ihn. Das lief nur alles ziemlich unspektakulaer ab; wir haben es ja selbst er sehr viel spaeter ueber Umwege mitbekommen: Ploetzlich war er weg.

Annanymous hat gesagt…

Komisch, ich erinnere mich gar nicht an eine solche Gechichte?

Anonym hat gesagt…

Solche Geschichten gibt es viele.Kann man fast jeden Tag in der Zeitung lesen. Da gab es auch eine Familie, die wurde ins Kosovo abgeschoben, anch vielen Jahren, die sie in Deutschland lebten.Die Kinder waren hier aufgewachsen und sprachen nur deutsch. Im Kososvo hatten sie niemanden. Die Verhältnisse dort sind erbärmlich, die Kinder können nicht in die Schule gehen. Die Mutter ist dort dann gestorben, sie war krank und konnte dortnicht angemssen ärztlich versorgt werden. Was sind das für Gesetze, die sowas für normal erklären? Welcher Menschkann sowas in Ordnung finden?

conring hat gesagt…

Liebe Liselotte,
solche Entscheidungen erfolgen nach "Aktenlage".
Ein Sachbearbeiter prüft nach den vorgegebenen Richtlinien die Aktenlage und trifft eine Entscheidung.
Diesen Entscheidungsweg kann man aus einer allgemein humantären Perskektive in jedem Fall in Zweifel ziehen, aber jeder Staat hat hier seine eigeneen Weg- Es gibt übrigens jenseits der westlichen Hemisphäre Staaten in denen die Aufenthalts- und Einbürgerungsbestimmungen bedeutend härter gehandabt werden.

Lieselotte hat gesagt…

Liebe/r conring,

"nach Aktenlage" - genau, und da frage ich mich eben, ob wir solche Entscheidungen, die in der Summe fuer dieses Land eine weitreichende Bedeutung haben (wieso schieben wir die Integrierten ab??), von mehr oder wenig hoch qualifizierten Sachbearbeitern in irgendwelchen Aemtern treffen lassen sollten.

Braeuchte es da nicht eine Grundsatzenscheidung auf hoeherer Ebene, die besagt, dass wir die, die wir hier braeuchten, nicht einfach wegschicken? (Und da haetten wir ueber Faelle, in denen humanitaere Ueberlegungen eine Rolle spielen, noch gar nicht mit drinnen.)

Dass es "jenseits der westlichen Hemisphaere" oft noch viel schlimmer aussieht, mag sein (ist so), das bringt uns aber in diesem Fall auch nicht weiter.

Es gruesst
die Lieselotte

Annanymous hat gesagt…

Liebe Lieselotte,

wie sollte man denn diese Fälle alternativ behandeln, damit sowas nicht passiert? Mir fällt da spontan nichts ein, das ohne gravierende Maßnahmen realisierbar wäre. Jedenfalls scheint es mir utopisch, dass immer nur sehr reflektierte und fähige Menschen hinter die Schreibtische gesetzt werden. Offenbar scheint da das verquere Gesamtsystem das Problem zu sein, und nicht einzelne "dumme" Sachbearbeiter. In vielen deutschen Ämtern sitzen ziemlich ahnungslose Leute, die irgendwelche weitreichenden Entscheidungen treffen. Und die, die fähig sind und gerne anders entscheiden würden, werden mundtot gemacht durch die Vorgesetzten, die lieber Arschkriecherei bei ihrem eigenen Chef betreiben und lieber die Gusche halten, damit ihnen ja keiner ans Bein pissen kann. Da bringt es nichts, einen einzelnen Angestellten anzuprangern. Es geht immer nur um politische Connections, Geld und Hirarchie. Das ist die traurige Wahrheit. Und um das zu ändern, müsste man die gesamte politische Struktur unseres Landes umstürzen.

Aber um noch mal auf den konkreten Fall zu sprechen zu kommen:
Ich erinnere mich jetzt nicht daran, aber das spielt auch keine Rolle. Fakt ist, dass es passiert ist. Dennoch darf man sich vielleicht nicht auf solche Einzelfälle konzentrieren, sondern müsste da auf höherer Ebene ansetzen. Und auch andere Fälle von ungerechter Behandlung durch den Staat aufdecken und anklagen. Vielleicht am besten auch erstmal außerhalb der Ausländerpolitik ... da kommt man vielleicht schneller weiter, denn das betrifft ja noch mehr Menschen. Es ist einfach zu krass, was im sozialen Bereich abgeht. Alles nur Fassade.