Montag, 28. Juni 2010

Ein bisschen Intoleranz am Abend

Es ist ein warmer Sommerabend und Kira, ich und das Lieschen im Buggy sind auf dem Weg vom Park ins Stadtzentrum. Wir überqueren gerade den Zebrastreifen, als eine Frau mit Handy am Ohr auf den Zebrastreifen fährt und in letzter Minute vor uns bremst. Mit Handy in der Hand im Auto unterwegs, ich kann's nicht glauben! Ich schüttel den Kopf und zeige auf ihr Handy, das sie weiter umklammert hält. Keine Reaktion - und wir sind auch schon fast an ihr vorbei, als sie plötzlich ihr Fenster runterkurbelt und uns hinterher ruft, ob ich ihr den Finger gezeigt hätte. - Hä?, bitte wie was?!

Lieselotte: Nein! Ich habe auf ihr Handy gezeigt, das dürfen sie doch gar nicht an haben im Auto, - sie hätten uns fast umgefahren -, sie können doch nicht beim Fahren telefonieren!

Ein wütender Blick trifft uns durch das geöffnete Autofenster. Die Frau: Lies das erst mal in deine Kuran nach, dann weißte's besser!

Der Akzent: unverkennbar türkisch. Die Frau: mittleren Alters mit einer mehr oder weniger schicken Kurzhaarfrisur. Es ist ein bestimmter Typ Frau, und das sind ganz oft die schlimmsten. Mir ist wegen des Kopftuchs nie so viel Verachtung und Böswilligkeit entgegen gebracht worden wie von Frauen wie dieser, mit türkischem Hintergrund und laizistisch-kemalistisch-antireligiöser Einstellung. Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Frauen wütend auf das Kopftuch und seine Trägerinnen sind, weil das Tuch für sie eine Rückständigkeit symbolisiert, die sie gerne hinter sich wissen würden, mit der sie - in Form von Vorurteilen hier in Deutschland - selbst oft genug konfrontiert sind. Ich weiß auch, dass diese Frauen sich oft sicher sind, dass man als Kopftuchmuslima sie, die kein Kopftuch tragen für minderwertig, schlecht, sittenlos hält. Dabei ist es mir ziemlich wurscht, ob sie Kopftuch trägt oder nicht, ob sie Muslimin ist oder nicht, ob sie überhaupt an irgendwas glaubt oder nicht. Sicher, es gibt sie, die komischen Kopftuchmusliminnen, die denken, nur weil sie sich bedecken, wären sie die besseren Menschen - aber das ist falsch, dumm und hat nichts mit dem Islam zu tun, der Stolz und Arroganz verurteilt und ganz klar sagt, dass keiner - außer Gott - weiß, wie die Taten eines Menschens zu beurteilen sind.

Wir sind alle gleich und im Prinzip wollen wir doch alle das Gleiche: so leben, wie es uns gefällt, ohne dafür von anderen angefeindet oder respektlos behandelt zu werden. Da geht es mir, denke ich, wie der Frau von heute Abend. Was also soll so ein Spruch? Denkt sie, es wäre in Ordnung so mit mir zu reden? Was hat sie sich überhaupt gedacht? Ich hätte sie gerne gefragt, aber da war sie schon weggedüst in ihrem Auto mit dem Handy in der Hand.

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