Montag, 31. Mai 2010

Letztens gelesen (04)

Rajaa Alsanea: Die Girls von Riad. Roman. München / Zürich: Pendo, 2007.

Am Anfang war ich skeptisch.
Ein Buch über vier junge arabische Frauen, die "glücklich sein wollen, die lieben und leben wollen und die sich ihre Sehnsucht, ihr Begehren und ihre Freiheit nicht nehmen lassen" (so der Klappentext)? Hm, naja. Und dann wurde auch noch so ein Hype um das Buch und seine Verfasserin, die saudiarabische Medizinstudentin Rajaa Alsanea, gemacht... So kam es, dass ich das Buch, das 2007 in der deutschen Ausgabe erschienen ist und das wenig später hier bei uns zu Hause rumlag, erst vor einigen Wochen in die Hand nahm. Auf den ersten Seiten fand sich meine anfängliche Skepsis bestätigt: Das Buch ist in Form von E-Mails verfasst. Muss so was sein? Fünf Seiten später ist mir klar: Es kann. Zehn Seiten später will ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und schließlich lese ich es tatsächlich in nur drei oder vier Tagen runter.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen vier junge Frauen der Oberschicht in Saudiarabien und ihre Erfahrungen mit der Liebe: Die eine heiratet und findet wenig später heraus, dass ihr Mann seit Jahren eine Freundin hat; die nächste wird von der Familie ihres Verlobten, die sie als nicht standesgemäßige Ehefrau betracht, um die Hochzeit mit dem Mann, den sie liebt, gebracht; die dritte gibt dem Drängen ihres Mannes nach und verbringt mit ihm nach der Eheschließung - aber vor der Hochzeitsfeier - die Nacht, was für ihn ein Grund zur Scheidung ist.

Hört sich nach Sex and the City auf Arabisch an? Es ist mehr. In einem der Großteil der Besprechungen in deutschen Medien wurde Rajaa Alsaneas Kritik an den Verhältnissen in ihrem Land als "halbherzig", "unentschlossen" bezeichnet und sie war schnell "die Revolutionärin, die keine sein will", weil man herausbekam, dass sie zwar kritisierte, sich aber nicht von ihrer Religion lossagen wollte. Dabei prangert sie unzweideutig die Unterdrückung der Frauen (und Männer!) in ihrem Land an. Nur den Gefallen, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten, tat sie dem unbefangenen Leser, der das vielleicht so erwartete, nicht: Sie betont an mehr als einer Stelle, dass es nicht der Islam als Religion ist, der für diese Missstände verantwortlich ist. Das schien einige deutsche Redakteurinnen, die in ihren Artikel und Reportagen oft Schwierigkeiten haben, zwischen Kultur und Religion zu unterscheiden, zu überfordern. Und auch die Mitarbeiter des Verlages, in dem meine Ausgabe erschienen ist, scheinen da nicht mehr ganz mitgekommen zu sein. So heißt es in der Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Buches:
"Was heißt es für eine junge Frau in Saudi-Arabien, sich zu verlieben? Am Vorabend ihrer Hochzeit glaubt Kamra sich am Ziel ihrer Träume. Aufgewachsen mit Handy, Laptop und der neuesten westlichen Mode, bekommt sie schon bald die strengen Gesetze der Scharia zu spüren ..."
Dabei wird die Scharia in der Schilderung der Geschichte dieser Figur mit keinem Wort erwähnt: Kamra wird von ihrem Mann betrogen und, als sie dagegen aufbegehrt, geschieden - was mit der Scharia mal so ziemlich gar nichts zu tun hat bzw. eindeutig gegen sie verstößt.

Also: nicht abschrecken lassen vom Sex and the City-Touch und mittelmäßigen Klappentexten. Das ist ein tolles Buch, das hervorragend unterhält und gleichzeitig wesentliche Fragen stellt!

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