Dienstag, 20. April 2010

Mit fremden Augen

Wer selbst mal im Nahen Osten unterwegs war oder mit Nahostisten über Geschichte und Politik dieses Teils der Erde diskutiert hat, kennt es nur zu gut: die Gräben, die sich so oft auftun, wenn es um den Blick auf die Vergangenheit der Region geht.

Während Ariel-oder-auch-Yoav-der-Israeli die Shoah als Rechtfertigung für so ziemlich alles, was seine Regierung, die Armee, der Staat in der Region anrichtet, heranzieht, muss man sich von Mahmoud-oder-war-es-Rayyan-dem-Palästinenser die Frage anhören, ob das denn wirklich so schlimm war damals und ob man die Zahl von 6 Millionen überhaupt - den Rest spar ich mir. Oder 1948: Was bei den einen als Erreichen der Unabhängigkeit gefeiert wird, gilt bei den anderen als al-nakba, die Katastrophe.

Die Dinge unterschiedlich zu benennen, das allein wäre nicht das Problem. Das fehlende Bewusstsein über die unterschiedlichen Sichtweisen, das mangelnde Interesse und das daraus folgende mangelnde Verständnis für die Position des Anderen ist es.

Um gegen diese fehlende Empathie etwas zu tun, muss an verschiedenen Fronten gekämpft werden. Eine davon ist die Bildung. Und tatsächlich gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen, an genau diesem Punkt anzusetzen, zum Beispiel auch durch die Erarbeitung eines Schulbuches, das parallel die jüdisch-israelische und die palästinensisch-arabische Sicht auf den Konflikt, der die Region seit Jahrzehnten beutelt, präsentiert. Das Buch ist vor einigen Jahren erschienen, seit 2009 liegt auch eine deutsche Übersetzung vor. (Frankreich und Deutschland haben sich an ein ähnliches Projekt gewagt, dass 2006 zum Abschluss kam.)

Dabei ist klar: Wenn die einen die Position der anderen verstehen, um ihre Ängste und Bedürfnisse und ihre Gefühle wissen, dann löst das noch keinen Konflikt. Aber: ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist getan. Das ist es, weshalb das Sehen mit fremden Augen so wichtig ist.

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