Freitag, 29. Januar 2010

Schleierhaft

Heute auf Seite 1 von "Le Monde", der französischen Tageszeitung: Die Burka. Die Debatte um die Vollverschleierung muslimischer Frauen wird in Frankreich schon seit einer Weile geführt; mit der Veröffentlichung des Abschlussbericht der zuständigen parlamentarischen Kommission flammt sie jetzt noch einmal so richtig auf. Was genau die Kommission empfiehlt, ist hier nachzulesen: Der Gesichtsschleier soll verboten werden - zumindest in öffentlichen Gebäuden wie Behörden, Schulen, Krankenhäusern, öffentlichen Verkehrsmitteln. Wer nicht ohne Niqab reisen will, den nimmt der Omnibus nicht mit. Wer den Gesichtsschleier nicht abnimmt, wird im Krankenhaus nicht behandelt?

Nun könnte man einstiegen in die allgemeine Diskussion über das Für und Wider von Gesichtsschleiern, Kopftüchern, Kleidervorschriften; über die Gleichheit von Mann und Frau; über die Integrationwilligkeit von Niqab tragenden Frauen; darüber ob Niqab, Hijab, Burka, Tschador im Islam Pflicht sind; ob sie ästhetisch ansprechend sind oder angsteinflößend; ob sie ihren Platz in Europa haben oder nicht... Oder man könnte stattdessen ein paar wesentliche Fragen stellen:

  • Offensichtlich hinterlassen diese und ähnliche Diskussionen bei immer mehr jungen französischen Muslimen (und zwar nicht nur bei den Burkaträgern respektive -sympathisanten) ein Gefühl der Stigmatisation. Ist der "Kampf gegen die Burka" diesen Preis wert?
  • Sind es wirklich ein paar hundert, vielleicht tausend "Burkas" auf Frankreichs Straßen, die das wesentliche Problem darstellen?
  • Wäre es nicht viel mehr interessant, anstatt sich auf religiösen und kulturellen Phänomen festzubeißen, die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, denen viele - nicht nur muslimische - Franzosen ausgesetzt sind, anzugehen? (Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch mit einer jungen französischen Lehrerin aus einem der quartiers chauds der Pariser banlieue, die 2004 - damals war das Verbot von Kopftüchern in Schulen das Thema in Frankreichs Medien - meinte: "Klar gibt es Probleme mit dem Kopftuch, aber das sind nicht die wesentlichen. Wir brauchen kein Kopftuchverbot; was wir brauchen, sind mehr Lehrer, Sozialarbeiter, Projektarbeit in den quartiers."
  • Was also soll diese Politik, die sich mehr an Symbolen als an den tatsächlichen Bedürfnissen vor Ort orientiert?
  • Wann waren noch mal Regionalwahlen in Frankreich? (Ach, Mitte März 2010? In nur 6 Wochen? Sag bloß!)

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